Neulich beim Lieblingsitaliener: Mein Mann und ich haben bestellt und freuen uns schon auf unser Essen. Anschließend hatten wir einen kleinen Stadtbummel geplant. Wir unterhalten uns darüber, was wir erledigen wollen. Plötzlich werde ich ungewöhnlich schweigsam.


Unser Lieblingsitaliener ist immer gut besucht. Zum Glück gibt es noch einen Zweiertisch für uns, sogar mit einer kleinen Bank, auf der ich am liebsten sitze. Der Blick nach draußen fällt auf eine Hauptverkehrsstraße. Wir sind überrascht, wie viel Verkehr es heute in der eher verschlafenen Stadt gibt. Ins Gemurmel der Gäste mischt sich ein gut hörbares Gespräch. Sofort überlege ich, ob unsere Stimmen auch so tragend sind. Auch wenn ich weiß, dass es sich nicht gehört, kann ich nicht widerstehen und spitze etwas die Ohren.

Zwei ältere Damen, offensichtlich miteinander befreundet, unterhalten sich über Alltägliches: Arzttermine, Anzahl der bisherigen COVID-19-Impfungen, usw. Unerwartet nimmt das Gespräch eine überraschende Wendung.

War da gerade das Wort „ausmisten“ gefallen? Tatsächlich. Eine Freundin erzählt, dass sie ausmisten will. Dabei fielen ihr Briefe in die Hände, die sie schon vor Jahren wegwerfen wollte. Neugierig hat sie noch einmal reingeschaut. Als junge Frau studierte sie im Ausland, für die damalige Zeit eher ungewöhnlich. Ihr Vater hat ihr zu dieser Zeit regelmäßig Briefe geschrieben. In einer gestochen scharfen Schrift, wie sie respektvoll anmerkt. Plötzlich befindet sie sich mitten in ihrer Vergangenheit. Lebhaft erzählt sie von Erlebnissen und Menschen. Die Freundin fügt eigene Erinnerungen hinzu. Fast wird es zum Wettkampf, wer am schnellsten den Faden weiterspinnen kann.

Die Damen lassen es sich gut gehen. Kaffee und Dessert werden serviert. Die Freundin erzählt von ihrem Sohn, der so wunderbare Dekorationen herstellt. Mit Liebe, voller Details. Sie zeigt Fotos. Die Freundinnen schwärmen gemeinsam und diskutieren lebhaft.

In der Zwischenzeit haben mein Mann und ich gegessen, ungewöhnlich schweigsam.  Auf dem Weg zum Auto sage ich „Schade, dass ich den Rest nicht mitbekommen habe.“ Mein Mann antwortet: „Ja, war wirklich interessant.“ In diesem Moment war ich wieder dankbar für die 28 Jahre, die wir schon zusammen verbringen. Wir verstehen uns auch ohne Worte.

Erinnerungen sind etwas Wunderbares. Wir bewahren sie in unserem Herzen und in unserem Kopf. Die Dame hatte die Briefe fast schon vergessen. Nach so vielen Jahren war es für sie ein Geschenk, sie wieder zu lesen. Sie hatte unglaubliche Freude daran, ihre Geschichten weiterzuerzählen.

Diese Briefe sind wahre Lebensschätze. Würde ich sie wegwerfen? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie spenden Freude und gehören vermutlich zu den wenigen Dingen, die vom Vater übrigblieben.

Minimieren heißt nicht, sich von Dingen zu trennen, die schöne Erinnerungen hervorrufen.
Welche Geschichten erzählen deine Lebensschätze?
Ich unterstütze dich dabei, sie zu entdecken. Damit auch du mit strahlenden Augen davon erzählen kannst.

Ich wünsche allen ein wunderbares, entspanntes Weihnachtsfest mit vielen Anekdoten, verschwundenen Geschichten und leuchtenden Augen.

Herzliche Grüße

Corinna

Deine Ausräum-Komplizin – garantiert legal und ohne Hehler.

 
 
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Wer braucht schon alte E-Mails? Digitale Ordnung ohne Reue.

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