„Grönemeyer mag ich nicht, der hat seine Frau so schnell vergessen.“ – Der Spagat zwischen Erinnerungen, Pietät und Neuanfang
Wir haben uns über Musik unterhalten. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Ob wir Lieder fantastisch finden oder schrecklich, wozu wir am liebsten tanzen, was uns ein Lächeln ins Gesicht zaubert oder laut und vielleicht auch schief mitsingen lässt, ist individuell. Natürlich verteidigen wir unseren Geschmack oder sagen auch, was uns nicht gefällt. Manchmal führen Diskussionen aber zu Nebenschauplätzen. „Grönemeyer mag ich nicht, der hat seine Frau so schnell vergessen.“
Findest du nicht, dass in letzter Zeit viel mehr Menschen sterben? Diesen Satz höre ich gerade oft. Jede:r kennt Menschen, die in jüngeren Jahren schwer erkranken und sterben oder vielleicht plötzlich ohne ein Wort tot umfallen. Wir sind geschockt, betroffen, finden es beängstigend oder schieben den Gedanken an den Tod vielleicht auch einfach beiseite.
In einer Woche habe ich von 3 Todesfällen erfahren. 2 Menschen kannte ich persönlich. Alle waren in einem Alter, in dem man den Tod noch nicht erwartet. Selbst wenn mir bewusst ist, dass ich nicht mehr zu den Jungen zähle, erwarte ich insgeheim doch, dass ich noch viel Zeit mit den Menschen meinem näheren Umfeld verbringen darf.
Ich frage mich, wie fühlen sich die Angehörigen? Darf man als Angehörige:r sagen, es ist eine Erleichterung, wenn die letzten Monate oder Jahre geprägt waren von Schmerz, Scham und Überforderung? Ist es herzlos, sich von Dingen zu trennen, die den Verstorbenen gehörten? Muss man seine Trauer durch schwarze Kleidung und Rückzug in die Einsamkeit zeigen? Darf man sich verletzlich zeigen oder muss man das Rückgrat bis zum Brechen durchbiegen? Ist es verwerflich, sich wieder dem Leben zuzuwenden und auch wieder zu lieben?
Wir können nicht einmal ansatzweise nachvollziehen, was in Trauernden vorgeht. Wir wissen nicht, wie das gemeinsame Leben und das Ende verlief. Wir kennen stille Übereinkünfte oder auch gegebene Versprechen nicht. Wir können die Trauernden unterstützen, wenn und wie sie es sich wünschen.
„Grönemeyer mag ich nicht, der hat seine Frau so schnell vergessen.“ Über diesen Satz haben wir diskutiert, nicht nur in dieser Runde, sondern auch mit anderen. Für mich ist klar, dass ich mir nicht wünsche, dass mein Mann bis an sein Lebensende trauert, wenn ich früher sterbe. Wer hätte etwas davon? Lieben bedeutet auch loslassen und dem anderen Glück zu wünschen.
Was meinst du dazu?
Herzliche Grüße
Corinna
Deine Ausräum-Komplizin – garantiert legal und ohne Hehler.